Ur-Heidi - Gefährliche Erbschaften

kgi: büro für nicht-übertragbare angelegenheiten

Online-Lectureperformance
Samstag 12. Dezember 2020, 18.00 Uhr

Wie reicht das Schweigen über den Nationalsozialismus in Täter*innen-Familien bis in unsere Gegenwart hinein? Wie strukturiert es unser Fühlen und Handeln? Und wie korrespondiert es mit der offiziellen Erinnerungskultur und dem enthemmten völkischen Nationalismus dieser Tage?

Mit ihren eigenen verdrängten und unbewussten nationalsozialistischen Gefühlserbschaften beschäftigen sich KGI anhand von Interviews mit ihren Familien. An diesem Online-Abend können wir den Recherche-Prozess für KGIs neue Theater-Produktion HEIDI (AT) miterleben. Mit dem legendären HEIDI Heimatmythos verfolgen KGI die Ursprungsmythen und Großeltern-Kind Beziehungen. Die Premiere wird voraussichtlich im Frühjahr 2021 im Ringlokschuppen Ruhr stattfinden.

Ihre intensive Auseinandersetzung führte KGI zu den Sozialpsycholog*innen Prof. Dr. Angela Moré und Dr. Markus Brunner, die in zwei Vorträgen ihre Arbeit zu transgenerationalen Verstrickungen in Folge des Nationalsozialismus vorstellen:

Dr. Markus Brunner: Gefühlserbschaften des Nationalsozialismus

Die Zeit nach 1945 ist in den post-nationalsozialistischen Ländern von vielfältigen psychischen und psychosozialen Abwehrprozessen begleitet, die die Erinnerung an den Nationalsozialismus bis heute verzerren und politische und soziale Dynamiken mitbestimmen. Der Beitrag lenkt den Blick darauf, wie die vor 1945 mehrheitlich vorhandenen Identifizierungen mit dem NS und die damit einhergehenden Verstrickungen in seine Verbrechen nach der Kriegsniederlage psychisch prozessiert wurden. Die These ist, dass innerpsychisch eine „Krypta“ gebildet wurde, in der die Triumphgefühle und die Versprechen, die der NS seiner Gefolgschaft gab, versteckt, aber auch bewahrt wurden – in der Hoffnung auf eine Wiederkehr.

Markus Brunner ist Sozialpsychologe und Soziologe und leitet an der Sigmund Freud Universität in Wien den Master-Studienschwerpunkt „Sozialpsychologie und psychosoziale Praxis“ mit. Er ist Mitbegründer der Gesellschaft für psychoanalytische Sozialpsychologie, Mitherausgeber der Zeitschriften „Freie Assoziation“ und „Psychologie und Gesellschaftskritik“ und lehrt, forscht und publiziert im Bereich der psychoanalytisch orientierten Sozialforschung.

Prof. Dr. phil. Angela Moré: Mechanismen der unbewussten transgenerationalen Weitergabe von Scham, Schuld und Trauma

Zu Beginn geht der Vortrag kurz auf die Entstehung der Erkenntnisse über transgenerationale Übertragungen ein. Im Zentrum stehen jedoch die psychischen Mechanismen der unbewussten Weitergabe von nicht verarbeiteten Traumata und Schuldverstrickungen durch unbewusste affektive und (körper-)sprachliche Signale. Schließlich werden die psychischen und psychosomatischen Folgen und Verarbeitungsmöglichkeiten bei den Nachkommen angesprochen.

Angela Moré ist Sozialpsychologin und Gruppenanalytikerin an der Leibniz Universität Hannover. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Transgenerationale Gefühlserbschaften, unbewusste Gruppenprozesse, Gender-Forschung, Körperbild-Forschung, psychoanalytische Entwicklungspsychologie, gesellschaftliche Transformationsprozesse

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