Bern sehen und sterben

Praxmarer/ Vittinghoff

Theater / Performance
Freitag 16. Dezember 2022, 20.00 Uhr
Samstag 17. Dezember 2022, 20.00 Uhr

Info: Sprache: DE

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Ein Gangsterboss, zwei Profikiller, eine Drogendealerin und deren kleinwüchsiger Kunde sowie ein Kleinkrimineller sind die Zutaten einer modernen Parabel auf das Jüngste Gericht.

Nach einem schief gelaufenen Auftragsmord an einem Pfarrer, müssen die Profikillerin Dagmar und der Profikiller Mike ihre Stadt verlassen, um in der Schweiz in Bern unterzutauchen. Mike hat nämlich aus Versehen neben dem Pfarrer auch ein Kind erschossen.

Mit Theater, Puppen und Livemusik verhandeln Praxmarer/Vittinghoff in komödiantischer Manier Schuld und Sühne vor dem Hintergrund einer sich rasant verändernden Welt voller gesellschaftlicher Umbrüche, Parallelrealitäten und Verschwörungstheorien. Am Ende fällt das Urteil, nicht für ein Leben nach dem Tod, sondern für das Leben im Hier und Jetzt!

Eine tiefschwarze Komödie, frei nach dem Filmdrama In Bruges (Brügge sehen … und sterben).

Nachruf für Dirk Vittinghoff:

Wir nehmen Abschied von Vitti

Dirk Vittinghoff wurde 1960 in Mülheim an der Ruhr geboren. Hier kennen ihn alle als „Vitti“. Mit seiner Arbeit verbindet der Ringlokschuppen seine frühste Geschichte.

Vittinghoff startete nicht bloß seine Karriere als Theatermacher im Ringlokschuppen, er war auch als Teil der Theatergruppe Molloy in den Neunzigerjahren an der Gründung dieses Hauses beteiligt. Im Variety Format „Nachtcafe“ machte er sich im „Schuppen“ schnell einen Namen mit seinen legendären Auftritten, in denen er zumeist Außenseiter und schräge Figuren frontal verkörperte. Er stand zu dieser Zeit aber nicht nur auf der Bühne, sondern legte auch damals schon Wert darauf sich selbst um die technische Einrichtung der Stücke zu kümmern. Eine Gewohnheit die er nie ablegte.

Vittinghoffs Theatergeschichte lief parallel zu der Entwicklung des Ringlokschuppen zum Theaterhaus. Die erste große Koproduktion des Ringlokschuppen mit der Kulturetage Oldenburg, "Ein Sommernachtstraum", die mit über zwanzig Gastspielen erfolgreich tourte, bedeute auch seine abschließende Professionalisierung als Schauspieler.

Seine Theatergeschichte setzte sich ab 1999 in Bern fort, wo er heiratete und als Schauspieler und Regisseur ein wichtiges Mitglied der freien Theaterszene wurde. Er war Gründungsmitglied der Theatergruppen E621 Bern, KNPV Bern und Die Nachbarn.

Seine Regiearbeiten, Kinder- und Jugend- wie auch Erwachsenenstücke, waren u.a. am Schlachthaus Theater Bern, in der Alten Reithalle Bern, am Vorstadttheater Basel, am Theater Baden Baden und zahlreichen anderen Spielstätten der Schweizer Theaterszene zu sehen. Die schwarze Komödie "5 Gründe, warum Delfine böse Tiere sind" wurde 2018 zum Schweizer Theatertreffen eingeladen. Bekannt wurden seine Inszenierungen für die Interaktion von Schauspieler*innen und Handpuppen, die von seiner Kollegin und Partnerin Priska Praxmarer für die Stücke entworfen und angefertigt wurden. Die expressiven Puppen erlaubten es seinem tiefschwarzen Humor, der aber nie zynisch gegenüber der Welt und ihren Menschen wurde, den angemessene Ausdruck zu verleihen.

Trotz der Verlegung seines Lebensmittelpunkts in die Schweiz machte er auch weiterhin in Mülheim an der Ruhr politisch und sozial engagiertes Theater. 1999 gründete er im Autonomen Zentrum die AZ Theatergruppe, die bis 2009 existierte. „Ich komme immer wieder nach Mülheim zurück, weil ich hier experimentieren kann. Hier kann ich Sachen ausprobieren, die ansonsten nicht möglich wären“ sagte er einmal dazu. „Der Himmelblaue Speck“, frei nach dem Roman von Sorokin, war die letzte Arbeit aus dieser Zeit in Mülheim, die aus heutiger Perspektive schon damals die absurde Rückkehr der Autokraten und Diktatoren kommen sah und ihre Lächerlichkeit auf der Bühne preisgab.

Zahlreiche ehemalige Mitglieder seiner Mülheimer Gruppe fanden ihren Weg ins Theater und sind heute u.a. als Schauspieler*innen, Theaterpädagog*innen oder Dramaturg*innen Teil der Szene.

In diesem Jahr wurde "Bern sehen und sterben" zu seiner letzten Regiearbeit. Er verstarb am 19. März im Alter von 62 Jahren in Bern. Mit dem Gastspiel im Ringlokschuppen nehmen wir mit Familie, Freunden, Bekannten und geliebten Menschen Abschied in Mülheim von einem, der gelebt hat.

Hasta la vista, Vitti! Wir denken an dich.

Credits:

Regie / Technik / Idee / Realisation: Dirk Vittinghoff
Spiel / Puppenbau / Idee / Realisation: Priska Praxmarer
Spiel: Benjamin Mathis
Musik/Spiel: Rena Hauser
Produktionsleitung: MTL Produktionen
Bühnenbild: Beni Küng
Kostüme/Requisiten: Sibylla Walpen
Illustration: Dirk Vittinghoff
Grafik: Eva Rolli

Eintritt 15/8,-

Ort Ringlokschuppen | Am Schloß Broich 38 | 45479 Mülheim an der Ruhr