FatzerBraz von Bertolt Brecht&Co.
andcompany&Co.
Gemeinsam mit vier Mitstreitern aus brasilianischen Aktions- und Theatergruppen erarbeitete die andcompany&Co. in São Paulo aus dem umfangreichen Fatzer-Material die zweisprachige, antropophagische Performance "FatzerBraz" – als Spaziergänge, Expeditionen, Vertilgungen und Verherrlichungen eines asozialen, anarchischen "Helden ohne Charakter" (wie es über Macunaima heißt, den emblematischsten Protagonisten der brasilianischen Moderne). Brechts Deserteure aus dem Ersten Weltkrieg treffen auf Marighellas Stadtguerilla, und die RAF auf den Zorn Gottes, Fitzcarraldo&Co.
Die Fragen nach Desertion, revolutionärem Defätismus und
Guerillakampf stehen im Zentrum des "Fatzer"-Fragments von Bertolt
Brecht. Eine Gruppe Soldaten des Ersten Weltkriegs beschließt, "keinen
Krieg mehr zu machen" und versteckt sich in Mülheim an der Ruhr, um auf
einen allgemeinen Aufstand zu warten. Bevor es jedoch zu einer Erhebung
gegen den Krieg kommt, zerfleischt sich die Gruppe gegenseitig. Die
Situation im Untergrund erinnert an das Schicksal der Stadtguerilla,
deren "Minihandbuch" Carlos Marighella verfasst hat, ein brasilianischer
Abgeordneter und Widerstandskämpfer gegen die Militärdiktatur. Im
Milieu der Studentenbewegung wurde dieses "Handbuch" auch in Deutschland
folgenreich (Bewegung 2. Juni, RAF).
Diese Texte bilden den Ausgangspunkt für "FatzerBraz", die neueste Inszenierung von andcompany&Co. Das internationale Künstlerkollektiv um Alexander Karschnia, Nicola Nord und Sascha Sulimma inszeniert das Stück in São Paulo gemeinsam mit brasilianischen Künstlern. Diese Zusammenarbeit bietet die Chance einer gegenseitigen Verfremdung: von São Paulo und dem Ruhrgebiet, Erstem Weltkrieg und Stadtguerilla, revolutionärer Bewegung und Reformregierung. Dabei geht es darum, mit Hilfe der stark entwickelten brasilianischen Brecht-Tradition Wege zu einem "anderen", tropikalischen Brecht zu finden. Der kulturelle und ideologische "Remix", charakteristisch für die Arbeiten von andcompany&Co., lässt neue Formen der Aneignung und Einverleibung zu, die in Brasilien eine lange Tradition haben. Am Ende wird es darum gehen, Fatzer zu fressen…
Besetzung
von und mit Alexander Karschnia, Jan Brokof, Jorge Peña, Manuela Afonso, Mariana Senne, Nicola Nord, Paula Klein (Fernanda Azevedo), Sascha Sulimma&CO.
Konzept und Regie andcompany&Co. Übersetzung Christine Röhrig Bühne Jan Brokof, João Loureiro Produktionsleitung Anne Schulz, Matthias Pees, Ricardo Muniz Fernandes Ausführende Produktion Jussara Rahal Technische Leitung Julio Cesar Cesarini Regieassistenz/Untertitel Annette Rammershoven Dramaturgische Beratung Fernando Kinas, Hans-Thies Lehmann, Nehle Franke