Die Policey - Versuch über die Sicherheit

kgi: büro für nicht-übertragbare angelegenheiten

Theater / Performance
Freitag 22. November 2019, 20.00 Uhr Premiere | AUSVERKAUFT
Samstag 23. November 2019, 20.00 Uhr

Info: Übersetzung: EN | Im Anschluss an die Premiere findet ein Nachgespräch statt

Die Policey, Copyright Björn Stork

Polizeiaufgabengesetze werden massiv verschärft. Daher laden uns die Theater-Trickbetrüger*innen von KGI vor, zum Verhör über das Verhältnis von Zivilgesellschaft und Polizei, Freiheit und Sicherheit. Schiller war in seinem Dramenfragment überzeugt: Für die moderne Gesellschaft brauche es eine Wiedergeburt des Dramas aus dem Geiste der Polizei. Fortan sei jedes Stück eine Ermittlung und die ausgeleuchtete Bühne das Beobachtungsmedium. Das Theater als Vorbild für den Polizeistaat? KGI nehmen die Ermittlungen auf!

Publikumsgespräch

Im Anschluss an die Premiere wird es ein Nachgespräch mit dem Bundessprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizistinnen und Polizisten Thomas Wüppesahl geben, um über die Verschiebungen in Politik und der Institution Polizei ins Gespräch zu kommen und verschiedene Perspektiven zusammen zu bringen.

Besetzung

Konzept und Regie: KGI und Alexander Bauer
Szenografie:
Jan Ehlen
Von und mit:
Dominik Meder, Maria Vogt, Alexander Bauer, Jan Ehlen, Mehrdad Golpour, Yasmin Fahbod, Melinda Breitkopf, Mike Voijnar, Stefanie Doerr, Jenny Bartsch, Justin Riedel, Marcel Nascimento, Propagandamaschine Karin und Christiane Holtschulte

KGI im Interview:

// Wofür steht POLICEY?

Unser Ausgangsmaterial bildet ja ein Dramenfragment von Friedrich Schiller mit dem Titel “Die Polizey”...und in dem versucht Schiller anhand einer größenwahnsinnigen Polizeigeschichte, eine neue Dramaturgie für die moderne Gesellschaft aus dem Geiste der Polizei zu entwerfen. Damals hat das Wort Policey viel mehr umfasst. Es ging ganz allgemein darum die Bevölkerung zu regulieren und zu regieren. Zur Polizei haben auch wohlfahrtsstaatliche Institutionen dazu gehört, das Gesundheitswesen, aber auch eben das Theater.

// Das Theater als Vorbild für den Polizeistaat?" - Wie kam es zu der Idee?

Diese Idee haben wir eigentlich Schiller und seinen Vorbildern und Zeitgenossen entnommen. Wir fanden es in unseren Recherchen ziemlich erstaunlich wie eng Polizei- und Theaterwesen im 18/19. Jahrhundert, auch auf personeller Ebene verzahnt waren. Viele Theaterreformer der Aufklärung zu dieser Zeit waren gleichzeitig auch Polizeiwissenschaftler oder Rechtsgelehrte. Und diese Disziplinen beeinflussten sich auch gegenseitig.

Beispielsweise nahm sowas wie ein Präventionsgedanke, dem ja auch gerade in den aktuellen Verschärfungen der Polizeiaufgabengesetzen eine große Rolle zu kommt, erst überhaupt über das Theater Einzug in die Polizeiwissenschaft. Die präventive Ruhe die im Theater im Zuschauerraum herrscht, wurde unmittelbar auf die ‚innerliche Ruhe‘ des Staates bezogen. Dass wir heute als Theaterzuschauer*innen in einem dunklen Raum stillsitzen, schauen und schweigen ist keine Selbstverständlichkeit. Jahrhunderte lang war fußballstadionartiges Getöse auf den Theaterrängen keine Seltenheit in Theateraufführungen. In Goethes Nationaltheater in Weimar waren dann regelmäßig Polizeioffiziere unter den Zuschauenden die darauf achteten das keiner dort an der falschen Stelle lacht, in Raserei verfällt, zu laut ist oder sonst irgendwie aus der Rolle fällt.

// Inwiefern stehen Polizei und Zivilgesellschaft im Zwiespalt und wie wurde das im Theaterstück verarbeitet?

Der Polizei als Prinzip geht es darum, potentiell auf alles und jeden Zugriff zu haben, um die Ordnung im Staat zu garantieren. Uns ging es aber auch darum zu zeigen, dass dieses Prinzip nicht unbedingt im Widerspruch zur Zivilgesellschaft stehen muss, sondern, dass das Bedürfnis nach Polizei und mehr Sicherheit aus der Individualisierung der modernen Gesellschaften stammt. Die vereinzelten Individuen haben Angst anderen gesellschaftlichen Gruppen schutzlos ausgeliefert zu sein. Der andauernde Wunsch nach mehr Polizei hat Statistiken zufolge wenig mit realen Gefahren zu tun, es sind gefühlte Wahrheiten, denen durch Argumente wenig entgegenzusetzen ist.

// Bedeutet Freiheit und Sicherheit nicht für jeden etwas anderes?

Sicherlich. Aber, ob das so gut ist, ist die Frage. Zum einen kann man das auch gut an der Polizei selber durchexerzieren. Viele Menschen fühlen sich erstmal sicherer durch erhöhte Polizeipräsenz. Aber für andere Menschen, die in unserer Gesellschaft leben kann die Anwesenheit von Polizei auch eine Bedrohung sein, also eher das Gegenteil von Sicherheit bedeuten. Wenn man an Menschen denkt, die nicht biodeutsch aussehen und extrem häufig polizeilichen Kontrollen bis hin zu Polizeigewalt ausgesetzt sind: Obdachlose Menschen, Sexarbeiter*innen, politische Aktivist*innen, Menschen mit psychischen Erkrankungen, Drogenabhängige, Jugendliche, Fußballfans usw usf. Die Absurdität des subjektiven Sicherheitsgefühls zeigt sich auch am sogenannten Verbrechens-Furcht-Paradoxons. Deutschland ist einer der sichersten Länder der Welt, mit fallenden Kriminalitätsstatistiken und gleichzeitig herrscht hier ein besonders hohes Maß an Verbrechensangst, welche völlig gegenläufig zur Sicherheitslage ist. Was ironischerweise dazu führt, dass die Deutschen sich immer mehr in ihren eigenen vier Wänden verbarrikadieren. Dabei sind die eigenen vier Wände nach wie vor der unsicherste Ort in Deutschland. Es sterben mehr Menschen an Haushaltsunfällen als im Straßenverkehr. Drei von vier Gewaltverbrechen finden dort statt unter Menschen, die sich kennen, die in einer Liebesbeziehung waren oder sind.

// Warum hat es sich KGI als Aufgabe gemacht produktiver Widerspruch zu sein? Inwiefern sind sie es und welche Ziele haben sie?

Das hat mehrere Aspekte. Der offensichtlichste ist, dass wir nicht einverstanden sind damit wie die Gesellschaft und darin das Theater eingerichtet ist und uns eigentlich auch aufgrund dessen zusammengetan haben als Gruppe. Wir kommen alle aus sehr unterschiedlichen Ausbildungsinstituten. Zudem arbeiten wir meistens mit Laien zusammen, die in besonderem Maße von Ausschluss aus Theater und Gesellschaft betroffen sind. All diese unterschiedlichen Vorerfahrungen und Vorstellungen prallen dann bei unseren Produktionen in all ihrer Widersprüchlichkeit erstmal aufeinander und das kann dann auch mal im Streit enden. Aber bisher haben wir es geschafft diese all diese Widersprüche ganz ohne Polizei für uns produktiv zu lösen.

Unser Ziel ist es aus dieser Widersprüchlichkeit heraus den Theaterapparat, seine Dramaturgien, seine ästhetischen Normen zu transformieren, aber auch die Institution als Solche, eben dadurch, dass wir versuchen Menschen die auf dem konventionellen Theaterarbeitsmarkt keine Chance auf Beteligung haben, dort zu integrieren und letztendlich darin dann auch auf die Gesellschaft zurückzuwirken.

Eintritt Vvk 12 € / erm. 6 € | Ak 15 € / erm. 8 € / Gruppe 5 €

Ort Ringlokschuppen | Am Schloß Broich 38 | 45479 Mülheim an der Ruhr

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