Kunst und Konformismus - Antisemitismus in Kunst und Theater
kgi: büro für nicht-übertragbare angelegenheiten
Antisemitismus in Kunst und Kultur ist keineswegs eine isolierte Erscheinung. In verschiedenen Bereichen tauchen immer wieder antisemitische Vorfälle auf. Die Geschehnisse im Rahmen der documenta fifteen sind lediglich ein Beispiel von vielen.
Die Gruppe KGI organisiert nun eine Reihe von Veranstaltungen an verschiedenen Orten in Mülheim, die einen direkten Bezug zur NS Vergangenheit haben, um dem anhaltenden Antisemitismus in Kunst, Kultur und Gesellschaft vor Ort auf den Grund zu gehen. Am 21.09. findet die erste Diskussionsveranstaltung in der vier.zentrale statt, in der die zunehmende Enttabuisierung und Enthemmung von Antisemitismus im Theater- und Kunstbereich in den Fokus genommen werden.
Oft sehen sich Künstler*innen und Kultur-Veranstalter*innen als Gegenbewegung zum herrschenden Zeitgeist, als fortschrittliches und kritisches gesellschaftliches Korrektiv. Sind sie dies wirklich oder reproduzieren und verstärken sie mitunter ein antisemitisches Grundrauschen in der Gesellschaft unter dem Deckmantel der Kunst- und Meinungsfreiheit? Ist in der Kunst- und Theater-Szene etwa eine konformistische Verschiebung zugange, die unter einem Antisemitismuskritischen Fokus kaum von rechtspopulistischen Strategien zu unterscheiden ist?
In den letzten Arbeiten haben sich KGI unter dem Begriff der "Gefühlserbschaften" vermehrt mit Erinnerungspolitiken und den verschiedenen NS-Hintergründen ihrer Großeltern haben und wie diese immer noch in uns nachwirken beschäftigt. Nun versucht das aktuelle Vorhaben eine politisch ästhetische Intervention in den Erinnerungsdiskurs in 3D. KGI entwickeln dazu eine 3D-Website, welche im Laufe der Diskussionsreihe inhaltlich zum Archiv anwächst. Durch die Aufzeichnung der Diskussionen mit Expert*innen soll die 3D-Website zu einer ganzheitlichen Erfahrung werden und Erinnern im virtuellen Raum ermöglichen. Die analogen Räume, die sie dafür aufsuchen, haben einen direkten Bezug zur nationalsozialistischen Vergangenheit Mülheims. Die vier.zentrale grenzt direkt an den ehemaligen Kaufhof in der Stadtmitte, welcher in der NS Zeit von der sogenannten „Arisierung“ und Enteignung jüdischer Kaufleute durch die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ profitierte.
Gemeinsam werden wir die Fragen aufwerfen, ob es tatsächlich eine Form von konformistischem Aufbegehren ist und wie diese Entwicklung in den größeren Trend des autoritären Denkens und eines möglichen Rechtsrucks passt.
Diskussionsveranstaltung am 21.09 in der vier.zentrale mit Stella Leder und Tom Uhlig
Stella Leder ist Autorin und Dramaturgin. Sie studierte Kunstgeschichte und Germanistik, war im Vorstand der Stiftung Zurückgeben, arbeitete für die Amadeu Antonio Stiftung und in der freien Theaterszene. 2015 gründete sie das Institut für Neue Soziale Plastik mit, das künstlerische Projekte zu Antisemitismus entwickelt und antisemitismuskritische Begleitungen für Theaterproduktionen sowie Workshops zu Antisemitismus für Kulturinstitutionen anbietet. Derzeitige Kooperationen bestehen u.a. mit dem Theater Magdeburg, dem Jewish Chambre Orchestra und den Münchener Kammerspielen. 2021 erschienen Stella Leders Bücher "Meine Mutter, der Mann im Garten und die Rechten" (Ullstein) und "Über jeden Verdacht erhaben? Antisemitismus in Kunst und Kultur" (Hentrich & Hentrich).
Tom David Uhlig hat u. a. Psychologie in Frankfurt studiert, ist Mitarbeiter der Bildungsstätte Anne Frank, wo er die Ausstellung »Das Gegenteil von gut. Antisemitismus in der deutschen Linken seit 1968« kuratierte. Er ist außerdem Mitherausgeber der Zeitschrift für psychoanalytische Sozialpsychologie "Freie Assoziation" sowie der "Psychologie & Gesellschaftskritik".