Theatre Unveiled: Brüche und Kontinuitäten des NS
kgi: büro für nicht-übertragbare angelegenheiten
Wir bitten um Anmeldung unter: anmeldung@kgi-kollektiv.com
Das Jahr 1945 wird in Deutschland oft als ein radikaler Bruch mit der Vergangenheit und als Neuanfang betrachtet. Das gilt sowohl im Bereich des Theaters als auch in der Kunst, denen eine besondere Bedeutung im “neuen” Deutschland zukommen sollte. Doch gab es diese Brüche tatsächlich? Welche Kontinuitäten des NS lassen sich für den postnazistischen Theaterbetrieb feststellen? In dieser Diskursveranstaltung werden wir die Wahrnehmung von Kontinuitäten und Brüchen im deutschen Theater und der Kunst nach 1945 genauer beleuchten.
Die Referent*innen
werden die historische Perspektive sowie die Sichtweise der
Theaterschaffenden und Künstler*innen selbst untersuchen. Wir werden
gemeinsam erörtern, wie das Theater und die Kunst nach 1945 auf die
NS-Vergangenheit reagierten, sowohl personell als auch inhaltlich.
Welche Rolle spielte das Theater in der Aufarbeitung der
Vergangenheit, und wie spiegelte sich dies in den künstlerischen
Ausdrucksformen der Zeit wider?
Referent*innen:
Professor Dr. Anselm Heinrich ist Dozent an der University of Glasgow und leitet dort das Institut für Theaterwissenschaften. Buchpublikationen umfassen Theatre in Europe under German Occupation (2017), Theater in der Region. Westfalen und Yorkshire 1918 – 1945 (2012), Entertainment, Education, Propaganda. Regional Theatres in Germany and Britain Between 1918 and 1945 (2007), sowie als Herausgeber Dramaturgies of War. Institutional Dramaturgy, Politics, and Conflict in 20th Germany (im Druck), Live Art Data. New Strategies in Theatre Archiving. Neue Strategien der Theaterarchivierung Scotland – Niedersachsen (2021) und Ruskin, the Theatre, and Victorian Visual Culture (2009). Für die Oxford University Press schreibt er derzeit eine Geschichte des Theaters in Großbritannien von 1938 bis 1946. Prof. Heinrich hatte Forschungsstipendien in Harvard, Oxford und Marburg, und ist Fellow der Royal Historical Society of Scotland.
Matthias Naumann
forscht und veröffentlicht in den Bereichen Theater, Film und
Jüdische Studien. Er studierte Theater, Film und Medienwissenschaft,
Germanistik und Judaistik in Frankfurt am Main, Tel Aviv und Paris.
Er ist Mitgründer der Künstlergruppe manche(r)art. Seine Stücke
waren zu den Autorentheatertagen 2013 am Deutschen Theater Berlin und
zum Heidelberger Stückemarkt 2014 eingeladen. Arbeiten als freier
Dramaturg und Kurator u.a. für Tmuna-Theater, Tel Aviv, Deutsches
Theater Göttingen, en/COUNTERs
in and between Israel and Germany
(Center for Contemporary Art, Tel Aviv / Künstlerhaus Mousonturm,
Frankfurt am Main); 2013–2018 Kurator für die Mülheimer Fatzer
Tage am Ringlokschuppen Ruhr.
KGI
Die Gruppe KGI organisiert eine Reihe von Veranstaltungen an verschiedenen Orten in Mülheim, die einen direkten Bezug zur NS Vergangenheit haben, um dem anhaltenden Antisemitismus in Kunst, Kultur und Gesellschaft vor Ort auf den Grund zu gehen.
In den letzten Arbeiten haben sich KGI unter dem Begriff der "Gefühlserbschaften" vermehrt mit Erinnerungspolitiken und den verschiedenen NS-Hintergründen ihrer Großeltern haben und wie diese immer noch in uns nachwirken beschäftigt. Nun versucht das aktuelle Vorhaben eine politisch ästhetische Intervention in den Erinnerungsdiskurs in 3D. KGI entwickeln dazu eine 3D-Website, welche im Laufe der Diskussionsreihe inhaltlich zum Archiv anwächst. Durch die Aufzeichnung der Diskussionen mit Expert*innen soll die 3D-Website zu einer ganzheitlichen Erfahrung werden und Erinnern im virtuellen Raum ermöglichen. Die analogen Räume, die sie dafür aufsuchen, haben einen direkten Bezug zur nationalsozialistischen Vergangenheit Mülheims.
Nach dem Auftakt in der vier.zentrale auf der Leineweberstraße direkt angrenzend an das ehemalige Kaufhof-Gebäude, das bis zur Enteignung im Jahr 1933 der jüdischen Familie Tietz gehörte, findet die zweite Veranstaltung im Ringlokschuppen Ruhr statt. Die thematische Nähe, Kontinuitäten des NS im Theater auch in einem solchen zu behandeln, liegt auf der Hand. Weniger bekannt ist die Geschichte des Ringlokschuppen selbst während der Zeit des Naziregimes, als sich im damaligen Reichsbahnausbesserungswerk ein Zwangsarbeitslager befand, in dem von 1942 bis Kriegsende etwa 1000 Menschen aus der damaligen Sowjetunion zur Arbeit gezwungen wurden.